Laufende Forschungsprojekte
In der Evolutionsbiologie ist das Verstehen der genetischen Basis von adaptiven phänotypischen Unterschieden innerhalb der Arten von großem Interesse.
Daher ist es ein wichtiges und herausforderndes Ziel zu erforschen, wie und warum neue Merkmale entstehen, die zu Veränderungen innerhalb der Arten beitragen und die zugrunde liegenden Gene zu identifizieren. Obwohl die Differenzierung zwischen den Arten häufig offensichtlich ist, erfolgen die entscheidenden Schritte, die letztendlich zu dieser Differenzierung führen auf der Ebene der Populationen- und Unterarten. Daher ist es notwendig, die grundlegenden evolutionären Kräfte, die auf Genomen in Populationen, wie Mutation, Selektion und zufälligem genetischen Drift einwirken, zu erforschen.
In Kooperation mit Andeas Wallberg und Matthew Webster arbeiten wir mit verschiedenen Methoden an der Charakterisierung von Genomregionen und der Identifikation von Kandidatengenen.
Honigbienen und Hummeln gehören zu den wichtigsten Bestäubern weltweit. Die Fitness ihrer Kolonien kann direkt von denen in den Populationen vorkommenden Nukletidvariationen, wie zum Beispiel Anzahl verschiedener Geschlechtsallelen und dadurch der Anteil von diploiden Männchen beeinflusst werden. Eine verringerte Anzahl von Bienen und Hummeln hat auch eine Verringerung an Biodiversität der Wildpflanzen aufgrund der ungenügenden Bestäubung entomorphiler Pflanzen zu Folge.
Somit ist für uns von besonderer Bedeutung, die Populationsdynamik der Geschlechtsallelen von Bienen und Hummeln zu verstehen. Die Identifizierung und Charakterisierung der bedeutendsten Schlüsselregulatoren in ausgewählten Arten sind Teil unserer laufenden Projekte.
Erforschung genomweiter Signaturen der modernen Imkerei bei der Westlichen Honigbiene (Apis mellifera)
Domestikation ist ein adaptiver evolutionärer Prozess, bei dem eine Art die Umwelt einer Partnerart verändert, um Leistungen von jener zu erhalten, und die Partnerart hin zu höherer Fitness und höherer Leistungserbringung in der veränderten Umwelt evolviert. Die Westliche Honigbiene (Apis mellifera) genießt hohe Wertschätzung als Bestäuber von Kultur- und Wildpflanzen, als Honigproduzent und Modellorganismus für Neurobiologie, Soziobiologie und Genetik. Neben der langwährenden Tradition der Haltung von Honigbienen in Bienenstöcken haben jedoch wildlebende Honigbienenvölker nach wie vor einen großen Anteil an der weltweiten Honigbienenpopulation. Da Honigbienen stärker der (natürlichen) Umwelt ausgesetzt sind als andere Nutztiere und Genfluss zwischen wildlebenden und imkerlich gehaltenen Populationen besteht, ist es im Allgemeinen unklar ob, oder in welchem Maße, Honigbienen der Domestikation unterstehen. Ziel des Projekts ist es, gepaarte Proben wilder und imkerlich gehaltener Honigbienenpopulationen aus mehreren Regionen zusammenzutragen und durch Genomsequenzierung dieser Populationen (Pool-seq) Informationen über genomweite Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs) zu erhalten. Die Analyse dieser Polymorphismen wird uns Rückschlüsse darüber ermöglichen, ob Unterschiede im Selektionsdruck zwischen natürlichen (wilden) Bedingungen und Imkereibedingungen groß genug sind, um funktionale genetische Unterschiede hervorzubringen. Die Ergebnisse werden Aufschluss darüber geben, ob die moderne Imkerei als echter Domestikationsprozess zu verstehen ist und ob sie die Fitness der Honigbiene unter Wildbedingungen beeinflusst. Diese Informationen sind relevant für die Bienenhaltung, den Schutz von Wildpopulationen bestäubender Insekten und für Wissenschaftler, welche die Honigbiene als Modellorganismus nutzen.
Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Morphologisch-molekulare Identifikation von Käfern an Verpackungsholz in der Pflanzengesundheit (Kooperationsprojekt mit LTZ Augustenberg)
In diesem Projekt werden neue Diagnoseverfahren für potentiell invasive Käferarten entwickelt, die im Rahmen der Kontrollen der Pflanzengesundheit auftreten können. Die Methoden umfassen klassische morphologische Bestimmungsschlüssel für eine mikroskopische Analyse von Käfern und ihren Larven, sowie molekulare Methoden (PCR). Ergänzt werden die Verfahren um Methoden zur molekularen Analyse von Populationen von Arten. Mit diesen Verfahren ist es möglich, Käferfunde von verschiedenen Befallsorten verwandtschaftlich miteinander zu vergleichen und wahrscheinliche Einschleppungswege von invasiven Arten nachzuvollziehen, z.B. des Asiatischen Laubholzbockkäfers (Anoplophora glabripennis). Mit diesem Forschungsprojekt sollen Gefahren für die Pflanzengesundheit in Deutschland abgewehrt werden.
Molekulare Einblicke in die frühe larvale Differenzierung bei Apis mellifera
Die molekulare Grundlage der Geschlechtsbestimmung ist in der Westlichen Honigbiene Apis mellifera gut verstanden, bei der das Gen complementary sex determiner (csd) als primäres Signal der Geschlechtsbestimmung einer nachgelagerten Genregulierungskaskade auf der Grundlage der allelischen Ausstattung fungiert. Homozygote csd-Individuen entwickeln sich zu diploiden Drohnen und haben null Fitness, da sie von den Arbeitsbienen kurz nach dem Schlüpfen erkannt und entfernt werden. Das Signal, das dieses Verhalten auslöst, ist noch nicht bekannt, aber es wurde vorgeschlagen, dass kutikuläre Kohlenwasserstoffe (CHC) eine wichtige Rolle bei der Unterscheidung dieser diploiden Drohnenlarven spielen. Ziel dieses Projekts ist es, Einblicke in den zugrundeliegenden genetischen Mechanismus zu gewinnen, der zu der veränderten Ausprägung des Phänotyps führt.
Die Honigbiene als wichtigster Blütenbestäuber in unserer Kulturlandschaft ist zahlreichen Umweltfaktoren ausgesetzt, die ihre Gesundheit beeinflussen.
In den letzten Jahren haben mikrobielle Lebensgemeinschaften im Darm von Organismen (intestinalen Mikrobiota) eine zunehmende Bedeutung vor dem Hintergrund eines gesunden und widerstandsfähigen Immunsystems erlangt. Welche Komponenten aus der Umwelt (z.B. Pestizide, Futterqualitäten) mit den Mikroorganismen interagieren, die das Immunsystem und somit die Bienengesundheit schwächen ist noch wenig erforscht.
Wir untersuchen die Zusammensetzung und Dynamik der intestinalen Mikrobiota im Bienendarm und den Effekt auf das Immunsystem mit modernen Technologien um perspektivisch nachhaltig über die imkerliche Betriebsweise zum Erhalt von gesunden Bienen beizutragen (Kooperation mit der Landesanstalt für Bienenkunde, Peter Rosenkranz).
Abgeschlossene Forschungsprojekte
Die Evolution der Staatenbildung (Eusozialität) gehört zu einem der großen evolutionären Veränderungsprozesse. Mehrere neu sequenzierte Genome und Transkriptome von Bienenarten, die unterschiedliche Stufen ihrer sozialen Organisation repräsentieren, bilden die Basis für vergleichende evolutionäre Studien. Diese Arbeit war Teil eines internationalen Forschungsprojekts unter der Federführung von Karen Kapheim und Gene Robinson.
Selektion Varroa-toleranter Honigbienen in Baden-Württemberg (SETBie)
Die Varroamilbe verursacht enorme Schäden, hohe Völkerverluste und zwingt die Imker zu regelmäßigen chemischen Bekämpfungen. Deshalb muss eine züchterische Lösung durch die Selektion varroatoleranter Bienenvölker über das Merkmal "Varroa-Sensitive-Hygiene" (VSH = Ausräumen von Varroa-befallenen Brutzellen) etabliert werden.
Im Projekt werden erstmalig durch eine innovative Kombination modernster genetischer Methoden Völker vollständig charakterisiert. Diese Verknüpfung der molekularen Methoden wird durch klassische Prüf - und Vitalitätstest ergänzt. Das Zuchtmaterial wird dabei genetisch überprüft und ermöglicht dadurch eine Etablierung von VSH relevanten molekularen Markern. Über den Einsatz von positiv selektierten Völker auf Belegstellen (isolierte Plätze zur Begattung von Bienenköniginnen) soll die Eigenschaft "Varroatoleranz" Eingang in die breite Landesbienenzucht finden.
Weiterhin werden durch Einbindung der Imkerverbände und Entwicklung einer kostengünstigen Markerselektion die Voraussetzung geschaffen, über die Projektdauer hinaus die Einbindung von VSH in die Zuchtarbeit auf breiter Basis zu ermöglichen, um so die chemische Behandlung und Völkerverluste zu vermindern.
Das Projekt SETBie für im Rahmen des Europäischen Innovationsprogramms (EIP-AGRI) gefördert.
Mitochondrial Haplotypen und Phänotypen der Legehenne
Mitochondrien sind in zahlreichen Schlüsselprozessen von Organismen involviert. Aus diesem Grund ist es notwendig, mitochondriale (mt) DNA Haplotypen sowie mt Genexpression in Hennen mit einer effizienten Phosphor (P) Verwertung und myo-Inositol Stoffwechsel im Detail zu charakterisieren. Myo-Inositol kann über einen bislang unbekannten Mechanismus, ähnlich dem der Autophagy und Mitophagy, die mitochondriale Funktion modifizieren.
In dem Projekt werden wir vollständige mt Genome von Hennen sequenzieren, die aus zwei Linien stammen. Dieser Ansatz wird potentielle Mutationen in mt Genomen identifizieren, die im Verlauf der genetischen Selektion entstanden sind und die Aktivität von Schlüsselenzymen beeinflussen, welche dann weiter charakterisiert werden. Mittels qPCR werden Unterschiede der mt Genexpression zwischen unterschiedlichen mt Haplotypen, Geweben und Entwicklungsstadien gemessen.
Unsere Daten werden mit weiteren Daten zur Genomanalyse aus anderen Projekten der Forschergruppe verknüpft, um Assoziationen mit interagierenden Loci des nukleären Hintergrundes zu erkennen. Dadurch erhalten wir einen umfassenden Einblick in die funktionelle Bedeutung von Mitochondrien in der P-Verwertung und dem myo-Inositol Stoffwechsel von Hennen.
Das Projekt ist Teil der DFG Forschergruppe P-FOWL (FOR 2601).
Stachellose Bienen: Genom und Mikrobiom
Als Kooperationspartner mit der brasilianischen Universidad Federal de Amazonas in Manaus, koordiniert durch Carlos Gustavo Nunez Silva und finanziert durch CAPES, arbeiten wir an der Sequenzierung und Analyse der stachellosen Biene Melipona compressipes. Diese Art ist neben anderen stachellosen Bienen weitverbreitet in Gebieten des brasilianischen Regenwalds und hat eine hohe wirtschaftliche Bedeutung.
Darüber hinaus untersuchen wir die Mikrobiota ausgewählter Melipona-Arten um Einblicke in deren Interaktion mit ihrer Umwelt zu gewinnen.